Der Anfang vom Ende


September 2022 

Nichts hätte mich jemals auf die Ereignisse vorbereiten können, die dieser Monat mit sich brachte.

Es sollte ein Abenteuer werden - ein Traum, der in Erfüllung ginge. 
Ein Traum, der sich als Albtraum entpuppen würde.

Ägypten. 
Seit über einem Jahrzehnt wollte ich dort hin. 
Die Antike hat mich schon als Kind fasziniert. 
Die Architektur, die Landschaft, die Götter.

Luxor Tempel

Kaum hatte ich das Land betreten, wurde ich krank. Am zweiten Tag meiner zwei Wochen Reise.
Relativ normal beim ersten Aufenthalt in Ägypten. Keiner hat sich was dabei gedacht. 
Auch nicht, als es nach einer Woche (Tag für Tag) schlimmer und nicht besser wurde.

Ich befand mich mitten auf dem Nil. Auf einem kleinen Schiff - ohne Arzt. 
Es blieb mir also nichts anderes übrig als mich "zusammen zu reißen".
 

Am Anfang zwang ich mich noch selbst aus dem Bett und zu den Ausflügen. 
Schließlich war das ja der Grund meiner Reise. 
Das Tal der Könige zu sehen. Den Tempel von Hatschepsut. Alles was es von Luxor nach Assuan zu sehen gibt.

Aber am zehnten Tag, nachdem ich weder essen noch trinken bei mir behalten konnte, stieß ich an meine Grenzen.  

Der Kapitän hatte schon einige Tage davor angeordnet, dass ich rund um die Uhr bedient werden sollte (normalerweise wäre das nur von 11:00 - 22:00 Uhr der fall). Sie kochten sogar separat für mich. Brachten mir essen auf mein Zimmer. Aber es half nichts. 

An diesem Abend klopfte es an meiner Tür. Davor stand der Kapitän mit seinem ersten Offizier und noch einem Mann, den ich nicht kannte. Man sah es ihnen an - Angst. Sie hatten alles getan, was in ihrer Macht stand und dennoch hatte sich meine Gesundheit rasant verschlimmert. 

Wie schlimm war es?
Ich konnte kaum noch Realität von Fiebertraum unterscheiden. 

Als ich dort in meinem Bett lag, fing die Welt an sich zu verändern. 
Die Wände des Schiffes fielen in sich zusammen und öffneten sich auf eine endlose, staubige Sand Straße. 
Mein Bett stand in der Mitte, umgeben von Menschenmassen, die ihrem Alltag nachgingen. 
Sie zogen an mir vorbei wie Wolken. 

Mein Bett wurde immer länger, bis es schließlich eher die Gestalt eines Tisches angenommen hatte. 
An diesem Tisch saßen eine Handvoll "Götter". 
Anubis, Ammit, Horus, Jesus und Luzifer. 
Sie spielten Karten, tranken Hibiskus Tee, und diskutierten über mein Leben. 


Sie waren so real und greifbar wie die Kaffeetasse, die jetzt neben mir steht.

Irgendwie habe ich es noch vom Schiff bis ins Hotel zurückgeschafft. Dort gab es eine kleine Klinik.
Drei Tage hab ich dort verbracht. 


Als ich Abends durch die Türe der Klinik gestolpert bin, war ich stunden davon entfernt einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Der Arzt konnte meinen Puls nicht finden, da dieser zu schwach geworden war. Es dauerte Ewigkeiten, bis sie eine Infusion legen konnten, da sie keine Vene finden konnten.
Mir war kalt. Eiskalt. 

Noch nie in meinem Leben hatte ich Heimweh. 
Aber in diesen Tagen sehnte ich mich nach zuhause. 
Ich wollte nicht in einem fremden Land sterben.

Bis heute weiß ich nicht, was es war. 
Die Ärzte sagten, so etwas hätten sie noch nie gesehen. 


Als ich meine Heimreise antrat, konnte ich kaum stehen. Aber es reichte aus. 
Tränen flossen als ich die grüne Landschaft unter mir erblickte. Zuhause. 

Doch das war nicht das Schlimmste was, der September mit sich brachte. 

Ich hatte in Ägypten nicht die Möglichkeit, mich bei geliebten Menschen zu melden, da ich keinen Zugriff auf Internet hatte. 

Das Erste, was ich zuhause tat, war Ulrich anzurufen. 
Ich freute mich so darauf, seine Stimme zu hören. 
Was er sagte, zerriss mein Herz innerhalb eines einzelnen Atemzuges. 

"Ellena. Ich muss dir etwas sagen. Ich habe Krebs. Er ist unheilbar." 


Ulrich war der wichtigste Mensch in meinem Leben. 
Vor sechs Monaten ist er gestorben.

In diesem Blog werde ich versuchen die Worte zu schreiben, die mir im Hals stecken bleiben.
Den Verlust zu verarbeiten und die Erinnerungen festzuhalten. 

Denn wo große Liebe ist, ist auch großes Leid. 

 





 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ein weiterer Oktober